Regencapes waren die Abendgarderobe der Tatort-Fans. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Eine Zuschauerquote von 100 Prozent: Die ist dem Stuttgarter Tatort immer sicher, wenn das SWR-Sommerfestival mit einer Premiere unter freiem Himmel vor dem Neuen Schloss eröffnet wird. Sogar bei Sturm und Regen wie am Freitag.

Überall Wasser. Im Neckar, an dessen Ufer die Leiche der jungen Hanna Riedle gefunden wird, in den seegroßen Pfützen auf Stuttgarts Straßen und vom Himmel, unentwegt, pausenlos, in Strömen. So übel habe das Wetter dem SWR als Gastgeber dieses erfolgreichen Sommer-Hits noch nie mitgespielt, versichern alle, die seit 2009 daran mitwirken und mitfeiern. Aber deswegen lassen die Fans des Stuttgarter Tatorts die Kommissare Thorsten Lannert und Sebastian Bootz doch nicht im Regen stehen.

Keine Frage. Sie bei ihren gefährlichen Ermittlungen auf der Suche nach dem Mörder durch Mitfiebern und Zuspruch zu unterstützen, ist Kult. Erst recht bei so einem privilegierten Event und nicht erst mit Millionen anderen Zuschauern vom heimischen Sofa aus.

Moderatorin und Darsteller erstaunt

„Unvorstellbar“, staunt Moderatorin Stephanie Haiber, die im Gegenlicht der Scheinwerfer nicht nur den Regen schräg niedergehen sieht, sondern auch wahrnehmen kann, dass sich die Reihen trotzdem dicht schließen. „Kaum zu fassen“, staunen auch die Kommissar-Darsteller Richy Müller und Felix Klare, die nach einem Tag voller Interviews noch unzählige Selfie-Wünsche erfüllen mussten und mit gut gelaunter Frotzelei über die Dreharbeiten plaudern, ihren Regisseur Andreas Kleinert, das gute Drehbuch von Norbert Baumgarten und die wunderbare Betreuung durch die Redakteurin Brigitte Dithard preisen.

Nur SWR-Chefredakteur Kai Gniffke wundert sich kein bisschen: Er habe in Hamburg gelernt, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur unpassende Kleidung gebe. Also wurde sie mit eilends besorgten und zur Verfügung gestellten Regencapes passend gemacht. Außerdem habe der Tatort, der, so Gniffke, auch für ihn zum Sonntag gehöre, immer mehr als neun Millionen Zuschauer.

Stadtbibliothek ist Schauplatz des Showdowns

Plötzlich weiß Richy Müller den Titel des Tatorts nicht mehr. Oder tut so. „Lass Sie gehen“, hilft Felix Klare nach. Gemeint ist Hannas Abschied vom Dorf in die Stadt. Aber auch Doppeldeutiges. Beide Kommissare kommen bei ihren Ermittlungen nicht ungeschoren davon, der eine hat das Bein, der andere den Arm in Gips. Aus Gründen der Parität. Müller darf als Lannert mal ein rotes Fahrrad fahren und ist wie immer sehr besorgt um seinen Porsche, wenn er Klare alias Bootz den Schlüssel überlassen muss: „Keinen Kratzer!“ Das Publikum im Wichtel- und Kapuzenlook kichert, kommentiert, kämpft gegen die Nässe, die alles durchdringt, und freut sich mit bewunderndem „aah“ über den Anblick der weißen und bücherbunten Symmetrie der Stadtbibliothek, Schauplatz des Showdowns. Der Fall ist gelöst, es regnet immer noch, aber die Spannung hat alle eisern durchhalten lassen. „Toll“, lobt Stephanie Haiber, das habe sie nicht erwartet.

Das Festival hat damit ja erst begonnen. „Wir erwarten 100 000 Besucher“, setzt Chefredakteur Kai Gniffke eine Marke für das lange Pfingstwochenende mit Pop&Poesie, Power of Love, Comedy mit Andreas Müller, Christoph Sonntag, Oliver Pocher und erstmals einem ARD-Familientag am Montag. Hoffentlich ohne so viel Wasser.