Manfred Naegele in der Fotoserie „Rotraits“ der Künstlerin Silvie Brucklacher-Gunzenhäußer. Foto: Si. Brucklacher-Gunzenhäußer

In den 1970ern hat er in der „Abendschau“ Schlager verulkt, die RAF-Prozesse als Außenreporter begleitet, später wurde er Kulturchef des SDR: Manfred Naegele, ein Urgestein des Stuttgarter Senders, ist im Alter von 84 Jahren gestorben.

Er war ein Urgestein des Süddeutschen Rundfunks (SDR), nun ist Manfred Naegele im Alter von 84 Jahren gestorben. In den 1960ern war Naegele der jüngste württembergische Bezirksnotar. 1969 zog es ihn mit einem Touch Marty Feldman zum Fernsehen, nachdem er bei einer Studentenparty Ulrich Kienzle, den damaligen Chef der „Abendschau“, kennengelernt hatte. Für ihn produzierte Naegele spontan einen Beitrag über eine englische Popgruppe, die er in einem Stocherkahn über den Neckar fahren ließ. Der Beitrag wurde für gut befunden, und wenig später war er SDR-Journalist.

„Als Notar hätte ich mehr Geld gemacht“, sagte Naegele später als Rentner im Bistro Brenner im Bohnenviertel, wo er über Jahre zum Inventar gehörte, „aber das mit dem Fernsehen war doch besser für mich.“

30 Jahre war Naegele ein prägender Kopf des SWR. Es waren wilde Jahre des Experimentierens, des Auflehnens, des Aufdeckens von Missständen, wie er im Rückblick feststellte. Als Rentner vermisste er beim SWR den kritischen Geist. Einen Vorwurf wollte er den amtierenden TV-Journalisten aber nicht machen. „Die stehen unter einem Wahnsinnsdruck“, sagte er, „bei uns war die Quote Nebensache.“

Eigene Satire-Rubrik in der „Abendschau“

Sorgt das Seichte für die besten Quoten? Unterhaltung kann intelligent sein, wie der hagere Reporter mit der langen Mähne in seiner eigenen Satire-Rubrik über Schlagermusik in den 1970ern bewies. In schrägen Verkleidungen karikierte er all das, was zur selben Zeit Dieter Thomas Heck in der „ZDF-Hitparade“ super fand.

In dieser Zeit zeigte er aber auch seine andere, ernste Seite: Als finstere Gestalt berichtete er etwa 1975 als Außenreporter für die „Tagesschau“ vor dem Stammheimer Gefängnis über den RAF-Prozess – als Jurist mit Staatsexamen sei er geeignet dafür, entschied die Redaktionsleitung. Die Hamburger Kollegen hätten damals gelästert, als sie ihn sahen, berichtete er Jahrzehnte später: „Was soll dieser Zuhälter mit der schwäbelnden Tonart?“

Was er als Bezirksnotar mit dem Dreifarbenhaus erlebte

Gern erzählte Manfred Naegele die Geschichte von der Hasch-Torte: Nach deren Genuss habe der damalige „Abendschau“-Chef Ulrich Kienzle an einer Dauererektion gelitten, weshalb er sich anderntags krankmelden musste.

In einer weiteren Geschichte, die er etwa bei Eröffnungen von Kunstausstellungen gern vortrug, ging es um eine Todesurkunde, die man ihm in jungen Jahren als Bezirksnotar in einer Nachlass-Angelegenheit vorgelegt hatte. Ein Mann war mit 50 Jahren gestorben. Als Todesort war „Bebenhäuser Hof 2“ angegeben – die Adresse des Dreifarbenhauses, jenes wohl ältesten Bordells der Stadt, das 1957 mit amtlicher Genehmigung eröffnet worden war. Der Verstorbene hatte seinen letzten Schnaufer beim Sex gemacht. „Seine Kinder sagten schließlich, sie hätten ihrem Vater zum 50. Geburtstag den Bordellbesuch geschenkt“, erzählte Nägele seinem amüsierten Auditorium.