Bundeskanzler Willy Brandt vorn, links dahinter mit Sonnenbrille sein persönlicher Referent Günter Guillaume Foto: ZDF/Imago

Eine Arte-Dokumentation erinnert an die Guillaume-Affäre und den Rücktritt Willy Brandts 1974. Im Mittelpunkt steht dabei Peter Guillaume, der nicht ahnte, dass seine beiden Eltern in Bonn für die DDR spionierten – bis die Polizei an der Tür klingelte.

Fußballerisch war 1974 aus bundesdeutscher Sicht dank des Titelgewinns bei der Weltmeisterschaft ein großartiges Jahr. Trotzdem liegt selbst bei jenen, die damals jung waren, ein Schatten über den Erinnerungen: Vor fünfzig Jahren, am 6. Mai, hat Bundeskanzler Willy Brandt seinen Rücktritt erklärt. Heute ist bekannt, dass er ohnehin amtsmüde war und es ihm daher womöglich ganz gelegen kam, was als „Guillaume-Affäre“ in die Historie eingegangen ist: Ausgerechnet sein persönlicher Referent, Günter Guillaume, war über viele Jahre ein aktiver Spion des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit.

In diesen Tagen beleuchten gleich zwei Produktionen die damaligen Geschehnisse. Interessant sind sie vor allem wegen der unterschiedlichen Ansätze. „Willy Brandt – Verrat am Kanzler“ (als Doku-Reihe in der ARD-Mediathek, als Neunzigminüter am Montag um 22.50 Uhr) erzählt die Ereignisse aus weiblicher Sicht. Zu Wort kommen etwa die Journalistin und Brandt-Vertraute Heli Ihlefeld, die Publizistin Eva-Maria Lemke und die Ex-DDR-Spionin Lilli Pöttrich.

Der Teenager hatte schlicht keine Ahnung

Wichtigster Protagonist von Kai Christiansens Dokumentation „Willy Brandt und der Spion, der ihn stürzte“ ist dagegen Pierre Boom, weshalb der Titel etwas irreführend ist. Der 1957 geborene Sohn von Günter und Christel Guillaume war ein Teenager, als seine Eltern aufflogen. Zur Wahrheitsfindung kann er allerdings nicht viel beitragen: Er hatte offenbar schlicht keine Ahnung, dass Vater und Mutter Mitte der Fünfziger von der Stasi in den Westen geschickt worden waren, um einen ganz eigenen Marsch durch die Institutionen anzutreten. Dass Guillaume am Ende gar im Bonner Kanzleramt landen würde, hatten die Drahtzieher selbst in ihren kühnsten Träumen nicht hoffen können.

Booms Lebensweg stellt sicherlich ein ganz eigenes Kapitel in der an so vielen tragischen Ereignissen reichen deutsch-deutschen Geschichte dar: Nach der Verhaftung der Eltern überzeugte ihn die Stasi, in die DDR überzusiedeln. 1981 hatte die Mutter ihre Haft verbüßt. Im selben Jahr durfte auch der Vater im Rahmen eines Agentenaustauschs in seine Heimat zurückkehren. Eine Familie waren sie da allerdings nicht mehr.

Der Spion legte Brandt sogar morgens die Hemden zurecht

Historisch betrachtet ist der Sohn des Spions dennoch nicht mehr als eine Fußnote, weshalb die Ausführungen von Willy Brandts ältestem Sohn Peter (Jahrgang 1948), zumal Historiker, im Grunde interessanter sind. Für weitere Hintergründe sorgen wie in solchen Produktionen üblich Sachverständige und Zeitzeugen, darunter auch Gerhart Baum, damals Parlamentarischer Staatssekretär im Innenministerium.

Interessant wäre es gewesen, die Söhne miteinander ins Gespräch zu bringen, schließlich müssen sie sich gekannt haben. Günter Guillaume war Willy Brandts engster Vertrauter und hat ihm bei Wahlkampfreisen sogar die Kleidung zurechtgelegt. Die beiden Familien haben noch 1973 einen gemeinsamen Urlaub in Norwegen verbracht. Da standen die Guillaumes zwar bereits unter Beobachtung, aber es gab bloß Hin-, keine Beweise. Hätte er sich, als die Beamten des bundesdeutschen Verfassungsschutzes am 24. April bei ihm privat an der Haustüre klingelten, nicht umgehend als MfS-Offizier zu erkennen gegeben, hätte man ihn wohl schlicht wieder frei lassen müssen.

„Willy Brandt und der Spion, der ihn stürzte“: Arte, 2. Mai, 21 Uhr